BNE hat in den Volkshochschulen von NRW seinen festen Platz. Dabei gestalten sich die Angebote so unterschiedlich wie die Menschen, die sie wahrnehmen. Die nachfolgenden Berichte wurden von der BNE-Bildungsreferentin Eva Heinen (Deutscher Volkshochschulverband) mit dem Personal diverser Volkshochschulen zusammengetragen und geben Einblick in die gute Praxis vor Ort:
vhs aktuelles forum Ahaus, Stadtlohn, Vreden:
Eine partizipative Nachhaltigkeitsinitiative von unten
Im westlichen Münsterland hat BNE schon früh Einzug in die Erwachsenenbildung gehalten: Hier hat bereits 2005 das „aktuelle forum Volkshochschule“ (ein kommunaler Zweckverband aus sieben Städten und Gemeinden) das Westmünsterlandforum gemeinsam mit zwei lokalen Trägern gegründet und damit den Grundstein für Kooperationen und Bildungsangebote im Bereich Natur und Umwelt gelegt. Von da an ging die BNE-Reise stetig weiter für die vhs – z. B. über die Involvierung der Landwirtschaftsbetriebe der Region auch im Rahmen der UN-Dekade Bildung für nachhaltige Entwicklung (2005-2014).
Seitdem hat sich viel getan: Nikolaus Schneider treibt als Leiter nicht nur das Verständnis und die Verankerung von BNE als mehrdimensionales Querschnittsthema voran, sondern sieht auch die Rolle der Volkshochschule als Ort für neue Lern- und Begegnungsprozesse als elementar an. Besonders stolz ist man in Ahaus dabei auf das Projekt „Runder Tisch Nachhaltigkeit“, das seit 2020 stetig weiter ausgebaut wird.
Ein Feldversuch politischer Bildung mit sichtbaren Ergebnissen
Angefangen hat alles mit dem Gedanken, mehrere lokale Nachhaltigkeitsinitiativen an einen Tisch zu bringen. Anfang 2020 organisierte die vhs dieses erste Treffen zwischen einem lokalen Arbeitskreis Transitiontown, dem Fridays for Future-Ableger vor Ort und den Kirchengemeinden. Die Idee war, eine gemeinsame Nachhaltigkeitskonferenz für die Region zu veranstalten. Im Herbst 2020 fand diese 1. Konferenz trotz Pandemie mit ca. 70 Teilnehmenden unter der Fragestellung „Wie können wir 2027 gemeinsam in Ahaus leben?“ erfolgreich statt. Das Ergebnis: Die Gründung von sieben Arbeitsgruppen, die an spezifischen Themen gemeinsam arbeiten und Handlungsräume für ein nachhaltigeres Ahaus identifizieren. Heute sind u.a. Arbeitsgruppen zu den Themen „grünes Ahaus“, Mobilität, Bildung und Ernährung und Konsum aktiv. Jede Gruppe hat eine*n Sprecher*in als Schnittstelle zur vhs und den anderen Gruppen. Die Gruppe der Sprecher*innen trifft sich im Turnus von zwei Monaten an der vhs und koordiniert die Gesamtaktivitäten dieses „runden Tischs“. Das besondere an den Arbeitsgruppen ist ihre Offenheit: Sie sind kostenfrei für jede interessierte Person zugänglich und die konkreten Aktionen werden in partizipativen Prozessen ausgewählt und bearbeitet. Interessant an diesem Format ist die besondere Rolle, die die vhs hierbei einnimmt, denn es gibt keine „klassischen“ Dozent*innen. Die pädagogischen Mitarbeitenden sind in engem Austausch mit den Sprecher*innen und z. T. auch in den AGs mit involviert.
„Die vhs agiert hier eher in der Rolle als Coach, denn wir begleiten einen Lernprozess, der nach dem Wunsch der Teilnehmenden nach Bedarfen vor Ort gestaltet wird.“ (Dr. Nikolaus Schneider, vhs Ahaus).
Die Arbeitsgruppen gehen über ein Austausch- und Diskussionsformat hinaus: So wurden durch die AG „grünes Ahaus“ mehrere Blühwiesen angelegt und eine Fahrrad-Tour „Biodiverse Gärten“ konzipiert. Die Gruppe „Mobilität“ hat erfolgreich die Zusammenarbeit mit der Kommune und einen quartalsmäßigen Jour Fixe erwirkt, an dem z. B. weitere Radwege und „on-demand-Verkehr“ diskutiert werden. Der runde Tisch ermöglicht also engagierten Bürger*innen, tatsächlich ins eigene Handeln zu kommen – wie es das Konzept der BNE vorsieht – und bringt die vhs in die Rolle der vermittelnden und ermöglichenden Multiplikatorin.
Bestrebungen auch nach innen
Parallel dazu hat die vhs aber auch den Blick nach innen gerichtet, um auch hier ein authentischer Treiber von Nachhaltigkeit zu sein. Im Herbst 2021 wurden dazu alle hauptamtlich tätigen Mitarbeitenden zu einem gemeinsamen Workshop eingeladen, um zu überlegen, wie die 17 UN-Nachhaltigkeitsziele in die vhs getragen werden können. BNE als Organisationsentwicklungsziel fand daraufhin auch direkt Einzug ins Leitbild und kommuniziert so die hohe Bedeutung auch nach außen.
Seitdem wird hier im jährlichen Turnus geplant: Analog zum runden Tisch auf lokaler Ebene formieren sich vhs-intern Arbeitsgruppen, die im Verlauf des Geschäftsjahres konkrete Ziele im Themenkomplex Nachhaltigkeit angehen, z. B. zu fairer Beschaffung, Papiervermeidung oder auch die Umsetzung der Vision eines grünen Büros. Auch Themen der Mitarbeitendengesundheit, der Gebäudeertüchtigung und der Barrierefreiheit stehen auf der Agenda.
Für die Zukunft wünscht man sich in Ahaus den globalen Aspekt von BNE verstärkt in den Blick zu nehmen. Vor allem aber soll die gute Arbeit nach innen und außen weitergetragen werden und die vhs den Bürger*innen vor Ort weiterhin eine aktive Begleiterin und Unterstützerin der lokalen Transformation sein.
Links:
Vhs aktuelles Forum Ahaus, Stadtlohn, Vreden: https://www.vhs-aktuellesforum.de/index.php
Interview mit Dr. Nikolaus Schneider: https://www.volkshochschule.de/bildungspolitik/uebergreifendes/ard-themenwoche-interview-nikolaus-schneider-vhs-aktuelles-forum.php
Bildnachweis:
Konferenz Runder Tisch Nachhaltigkeit 2021_copyright forum vhs Ahaus
vhs Bochum:
Globales Lernen eröffnet Perspektiven für junge Erwachsene
An der vhs Bochum ist das Thema BNE an einem besonderen Ort tief verankert: im Bereich „Schulabschluss PLUS“ – dem Fachbereich des Zweiten Bildungsweges.
Hier hat BNE bereits 2010 Einzug ins Lehr- und Lerngeschehen gehalten, und zwar in Form des Förderprogramms „Globales Lernen an der vhs“ von DVV International, dem Institut für internationale Zusammenarbeit des Deutschen Volkshochschul-Verbands. Die ersten geförderten Vorhaben fanden zu den Themen FairTrade und Konsumverhalten und Wertschätzung unter dem Motto „Miteinander Sein“ statt. Die Formate kamen bei Mitarbeitenden und Teilnehmenden gut an, so dass beschlossen wurde, eine externe Fachkraft dazuzugewinnen. Das Kollegium entschied gemeinsam, diese Projektform und das Thema BNE als festen Bestandteil im Lehrplan und im gesamten Fachbereich zu verankern.
Die Mischung macht’s
Am Standort „Schulabschluss PLUS“ in Bochum kommen viele Eigenheiten der Teilnehmenden positiv zum Tragen: Die Teilnehmenden sind in ähnlichem Alter, bringen aber unterschiedliche soziodemografische Merkmale mit. Die Vielfalt an Hintergründen und Lernbiografien bietet dabei einen großen Spielraum für die Themenbreite der BNE: So haben die Projekte in den vergangenen Jahren ein breites Spektrum der UN-Nachhaltigkeitsziele in ihre Ausgestaltung integriert – von gesellschaftspolitischen Kontroversen wie Kinderarbeit oder (Post-) Kolonialismusdebatten über Klimathemen wie die globale Wasserverteilung hin zu Fragen des Miteinanders wie z. B. eine Reflexion des Heimatbegriffs.
Didaktisch tritt Angelika Pöppel, Weiterbildungslehrerin an der vhs Bochum, zu Beginn jedes Halbjahrs mit größtmöglicher Offenheit an die Gruppe heran. Sie holt die Teilnehmenden auf ihrem Wissensstand ab, zeigt auf, wie facettenreich Themen der Nachhaltigkeit und des Globalen Lernens sind und reflektiert mit ihnen über ihre eigenen Rollen und Perspektiven. Das Wichtigste aber ist die Freiheit bei der Themen- und Methodenwahl: Im Vordergrund steht dabei immer der Alltags- und Realitätsbezug der Teilnehmenden – und durch die freie künstlerische und kreative Auseinandersetzung mit Themen kommen dabei auch oft bisher unentdeckte Talente zum Vorschein, die den Teilnehmenden mitunter auch neue Perspektiven auf ihre weitere persönliche und berufliche Entwicklung geben.
Die Gruppen entscheiden nach eigenen Fertigkeiten und Interessen, mit welchem Aspekt der globalgesellschaftlichen Nachhaltigkeitsthematik sie sich beschäftigen wollen und erarbeiten in partizipativen Prozessen mögliche Gestaltungsformen und Präsentationsformate für den Projektabschluss. In den vergangenen Jahren waren das z. B. eine Modenschau „Fair gehandelt“, eine Ausstellung zum Thema „Wasserverteilung und die Ressource Sand“ oder auch ein Theaterstücks zum Thema „Ich bin ein Weltenbürger“. Das Besondere an diesem Präsentationsformat: Die Teilnehmenden erleben selbstwirksames Handeln als Individuum und im Kollektiv und bilden neue Kompetenzen aus.
Besonders stolz ist man am Standort auf das eigene globale Klassenzimmer „RaumkulTOURen“ – in einer Eröffnungszeremonie durch den Stadtrat eingeweiht, finden sich hier Alltagsgegenstände aus der ganzen Welt zum Ausprobieren und Entdecken. Die Interkonnektivität von lokalen und globalen Zusammenhängen, die der Fachbereich in jedem Schuljahr gemeinsam erarbeitet, werden hier plastisch und erlebbar gemacht.
„Wir bilden hier im Fachbereich eine Gemeinschaft und verfolgen ein gemeinsames Ziel – den Abschluss machen und in unserer Gesellschaft gut leben und diese mitgestalten. Damit können wir jede Person da abholen, wo sie steht – bei ihren Interessen und Kompetenzen.“ (Angelika Pöppel, Kursleiterin im Fachbereich Schulabschluss PLUS an der vhs Bochum)
BNE ist kein Zusatzprinzip für die vhs
Für die Fachbereichsleitung Elke Dietinger ist neben dem erfolgreichen Fortführen des Globalen Lernen-Angebots aber auch die strukturelle Verankerung wichtig: Auch die vhs Bochum und der Fachbereich SchulabschlussPLUS orientieren sich an der Leitlinie der Stadt Bochum als FairTrade-Stadt und setzen diese auch am eigenen Gebäude an. So wird an der Etablierung von fair gehandelten Produkten in den Automaten gearbeitet und mit Unterstützung von Energieberatern die Ressourceneffizienz in den lebensweltlichen Zusammenhängen der Teilnehmenden auf Einsparmöglichkeiten geprüft. Neben ersten Umsetzungen zur Verbannung von Plastikprodukten aus dem Fachbereich hat vor allem der eigene Schulgarten auch eine große Strahlkraft entwickelt, denn dieser wird von einem Kurs im Projektbereich „outdoor – Garten“ nachhaltig bewirtschaftet.
Eng verknüpft ist die eigene Transformation des Lehr- und Lernorts in Bochum auch mit dem Landesprogramm „Schule der Zukunft“, in dessen Rahmen die vhs auch mehrfach ausgezeichnet wurde. Hier konnte die vhs sehr gut das Fortbildungsangebot des Programms nutzen und beispielsweise die Mitarbeitenden im Bereich nachhaltiger Organisationsentwicklung und partizipativer Bildungsformate schulen.
All diese Bemühungen tragen Früchte – man möchte in Bochum erreichen, dass jede*r Besucher*in spürt, dass BNE und Nachhaltigkeit ihren Platz gefunden haben. Es bleibt zu hoffen, dass dieser gute Ansatz vom Standort des Zweiten Bildungsweges in Bochum auch im Sinne eines „Bottom-Up“ Approach in weitere Strukturen der Stadtverwaltung strahlen wird.
„Für mich sind feste Strukturen und Zuständigkeiten enorm wichtig, damit BNE auch wirklich verstetigt wird und wir es auch tatsächlich selbst leben. Und das kann nur im Team gelingen, wenn wir gemeinsam daran arbeiten und Nachhaltigkeit vorleben.“ (Elke Dietinger, Fachbereichsleiterin Schulabschluss Plus, vhs Bochum)
Weiterführende Links:
vhs Bochum: https://vhs.bochum.de/programm/schulabschluesse/
Globales Lernen an der vhs – das Förderprogramm: https://www.dvv-international.de/vhs-kooperationen/globales-lernen
Bildnachweis:
vhs Bochum_Medien und Entwicklungsländer_copyright Arnd Becker
vhs Bochum_Ubuntu Menschenrechte_copyright Arnd Becker
vhs Detmold-Lemgo:
Gemeinsam nachhaltigere Lebensstile entwickeln, diskutieren und ausprobieren
An der vhs Detmold-Lemgo hat man sich bereits vor einigen Jahren auf den Weg gemacht, die Nachhaltigkeitsziele der UN nicht nur zu lehren, sondern auch zu leben. So wirkt die vhs politisch im regionalen Arbeitskreis BNE und in mehreren Prozessen zur nachhaltigen Entwicklung ihrer Träger- und Partnerkommunen mit. Und in Lemgo ist man stolz auf den Umbau des neuen vhs-Standorts „Haus Wippermann“, das nach denkmalgerechten, nachhaltigen und inklusiven Kriterien ausgerichtet wurde.
Dennoch wollte sich die vhs, die als Anstalt öffentlichen Rechts (AöR) eine besondere Organisationsform besitzt, noch weiter auf den Weg der nachhaltigen Entwicklung begeben. 2021 hat sie den Weg des „Whole Institution Approach“, der ganzheitlichen nachhaltigen Organisationsentwicklung, eingeschlagen. Dabei ist die vhs Partnerorganisation in einem Projekt von DVV International, dem Institut für internationale Zusammenarbeit des Deutschen Volkshochschul-Verbands. Das Projekt wird vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) gefördert. Nach einem Kick-Off Workshop, an dem die gemeinsame Vision der vhs und auch erste Ziele definiert wurden, arbeitet eine fünfköpfige Steuerungsgruppe seitdem daran, konkrete BNE-Ziele für die vhs zu definieren und gemeinsam mit der Belegschaft umzusetzen.
Aus dieser Arbeit entstand die Idee, den freien Kursleitenden bei einem Sommerfest das Thema BNE nahezubringen und ein Verständnis für die Bedeutung nachhaltigen Denkens und Handelns zu vermitteln. Das gelang z. B. durch SDG-Kartenspiele und offene Gesprächsanregungen zwischen den Kursleitenden und den Mitarbeitenden. Das Format eignet sich, um Kursleitende sowohl für das Thema BNE für ihren individuellen Unterricht als auch für neue Methoden und Praktiken der Vermittlung zu sensibilisieren.
BNE nach innen und außen tragen
Neben der Ansprache der Dozent*innen war der vhs Detmold-Lemgo auch die interne und externe Kommunikation zu den eigenen Entwicklungen wichtig. Dazu hat sie einen Leitfaden erstellt, der allen Mitarbeitenden und Kursleitungen transparent aufzeigt, wie BNE in der Organisation implementiert werden soll. Flankiert wird dieser Kommunikationskanal mit Workshops für interessierte Mitarbeitende. „All diese Prozesses sollen das Verständnis und Engagement der Mitarbeitenden rund um BNE fördern“ (Sonja Watson, ÖA). Aber auch nach außen kommuniziert die vhs ihre Pläne via Social Media, den Newsletter oder ihre Website. Sie informiert über BNE-Aktivitäten und Meilensteine, die im Organisationsentwicklungsprozess erreicht werden und agiert so als Vorbild für nachhaltige Entwicklung in der Region.
„Die Aufgabe, die Nachhaltigkeitsziele zu erreichen, ist gewaltig. Der Prozess (Whole Institution Approach) hat uns geholfen, diese in schaffbare Teile zu zerlegen und mit viel Optimismus gemeinsam anzugehen.“ (Claudia Biehahn, Leitung vhs Detmold-Lemgo)
Links:
BNE an der vhs Detmold-Lemgo: https://www.vhs-detmold-lemgo.de/ueber-uns/bne
Bildnachweis:
DozentInnenfest BNE_copyright vhs Detmold-Lemgo
vhs Frechen:
Gesellschaftlichen Zusammenhalt in einer Strukturwandelregion vorantreiben
An der vhs Frechen ist BNE in ihren vielfältigen Aspekten vor allem durch Kooperationen und Kollaborationen angekommen – und das sowohl auf der programmatischen als auch auf der strukturellen Ebene. Als 2021 die Fachbereichsleiterin Antje Laacks die Co-Moderation der neu gegründeten BNE-Netzwerkgruppe in der vhs.cloud (zusammen mit Johanna Samaras von der vhs Siebengebirge) übernommen hat, brachte sie damit den Stein für die Weiterentwicklung in Frechen ins Rollen. Der Austausch mit bundesweit BNE-aktiven pädagogischen vhs-Mitarbeitenden hat direkt erste fruchtbare Ideen für die eigenen Umsetzungen ergeben – so wurden gemeinsam mit der vhs Rhein-Erft erste Workshops für Kursleitende aller Fachbereiche durchgeführt. In engem Austausch mit dem Förderprogramm „Globales Lernen an der vhs“ des Deutschen Volkshochschul-Verbands wurden Workshops für den Landesverband NRW angeboten.
BNE ist zentraler Bestandteil aller Fachbereiche
Bestärkt durch den neuen vhs-Leiter Filip Dedeurwaerder-Haas, der Ende 2022 sein Amt übernahm, wurde das Verständnis von BNE als Bildungs- und Organisationskonzept dann sukzessive auf die gesamte vhs ausgedehnt. In einem weiteren Schritt wurde der Programmbereich Politik und Gesellschaft um das Fachgebiet „Nachhaltige Entwicklung“ erweitert. Aber auch für die organisatorische Weiterentwicklung war die Anknüpfung an BNE-Bestrebungen in der vhs-Welt unterstützend: In Kollaboration mit der vhs Südkreis Aachen entschied man sich für die Durchführung eines internen Workshops im Frühjahr 2024. Dabei kamen alle hauptamtlichen Mitarbeitende aus beiden vhs zusammen und definierten gemeinsam konkrete Arbeitsbereiche, in denen BNE gestärkt werden kann. Auf den ersten Blick erscheint es unüblich, einen internen Entwicklungsworkshop mit einer anderen Organisation gemeinsam durchzuführen, aber da „die Struktur unserer vhs sich in ihrer Größe und Standorte sehr ähnlich sind, konnten wir uns gut funktionsübergreifend austauschen“ (Antje Laacks, vhs Frechen). Der Workshop hat in Frechen neue Perspektiven auf die starke Rolle der vhs für die sozial-ökologische Transformation eröffnet und einige konkrete Ideen hervorgebracht. So wird man in den kommenden Semestern das Programm jeweils an einem der Nachhaltigkeitsziele der UN ausrichten – ein Weg, den man bereits 2023 ausprobiert hat, in dem das Herbstsemester unter dem Thema „soziale Gerechtigkeit“ stand und entsprechende Programmangebote spezifisch gestaltet wurden. Highlight des Semesters war die abschließende Podiumsdiskussion, die mehr als 60 Bürger*innen aus der Region zum Mitdiskutieren bewegte.
Als zweites wichtiges Standbein priorisiert die vhs Frechen die Intensivierung der bereits bestehenden und den Ausbau neuer Kooperationen und Netzwerke. Auf Fachbereichsebene legt man bereits einen starken Fokus auf Kooperationen bspw. mit kommunalen Stellen (z. B. der Gleichstellungsbeauftragten, der Stabsstelle Umwelt und Klima, der Seniorenbeauftragten), der Zivilgesellschaft (z. B. dem FairTrade Netzwerk, dem NABU und dem Eine-Welt-Laden) oder auch Kultureinrichtungen (z. B. Stadtbücherei, Musikschule, Stadtarchiv). Besonders hilfreich für das Einbringen in kommunale Strukturen hat sich die Teilnahme an der Weiterbildung „Kommunales Nachhaltigkeitsmanagement“ der LAG21 erwiesen.
„Die Frage, wie wir uns als vhs in Transformationsprozesse vor Ort einbringen ist mir persönlich sehr wichtig – unsere Antwort darauf ist es, Teil der kommunalen Familie zu sein und verstärkt in den Austausch und Kooperation mit allen wichtigen Akteuren zu gehen.“ (Antje Laacks, vhs Frechen)
Die soziale Dimension von Nachhaltigkeit ist die Basis von Transformation
Auf Programmebene beschäftigt sich die vhs Frechen verstärkt mit der Frage, wie bisher wenig repräsentierte Zielgruppen erreicht und partizipativ in die Gestaltung des Programms mit eingebunden werden können. Im Frühjahr 2024 wurde dafür erstmalig eine „Produktklinik“ in Kooperation mit der lokal ansässigen Gold-Kraemer-Stiftung ausgerichtet. Die Stiftung ermöglicht u.a. verschiedene Wohn- und Betreuungsangebote für Menschen mit Beeinträchtigungen und bot sich daher als idealer Partner für eine Kooperation mit der vhs an. Gemeinsam wurde dafür ein Workshop mit fünf Bewohner*innen durchgeführt, bei dem entsprechend der Interessen der Teilnehmenden Programmangebote am Reißbrett entstanden. Die erste Idee: ein „inklusiver“ Yoga/Gymnastik-Kurs, bei dem die Zeiten, die Inhalte und die Auswahl der Kursleitung auf die Bedürfnisse der Zielgruppe zugeschnitten werden. Die Hälfte der Plätze ist offen für Anmeldungen, die andere für die Bewohner*innen reserviert. Auch bei der Räumlichkeit wird auf Kooperation gesetzt, denn die Stiftung bietet barrierefreie Zugänge und reduziert somit Hürden für die Zielgruppe.
Die Produktklinik hat sich als Format bewährt und in Zukunft möchte man in Frechen häufiger auf diese Möglichkeit der partizipativen Programmgestaltung zurückgreifen, z. B. mit Teilnehmenden der Integrationskurse oder jüngeren Besucher*innen der vhs. Auch themenspezifisch ist das Format denkbar. So möchte Antje Laacks gern auch eine Produktklinik zu den Themen Nachhaltigkeit und BNE durchführen und so herausfinden, was die Bürger*innen in ihrer Region konkret interessiert und mit welchen Formaten sie erreicht werden können.
„Wenn man sich darauf einlässt, die Perspektiven und Kompetenzen von unterschiedlichen Menschen einzubinden, dann kommen dabei wunderbare Dinge und Ideen heraus, auf die wir in erster Instanz nicht kommen würden.“ (Antje Laacks, vhs Frechen)
Links:
Fachbereich Politik, Gesellschaft, Nachhaltige Entwicklung vhs Frechen: https://www.vhs-frechen.de/programm/politik-gesellschaft-nachhaltige-entwicklung#inhalt
Bildnachweis:
2024 BNE Teamtag Gruppenfoto vhs Frechen_vhs Südkreis Aachen_copyright vhs Frechen
2023_Produktklinik vhs und Gold-Kraemer-Stiftung_copyright Gold-Kraemer Stiftung Frechen
vhs Köln:
Eine nachhaltige Bildung für alle schaffen
Die verschiedenen
Teilaspekte der BNE sind an der vhs Köln schon lange Programm. So wurde im Rahmen der damaligen „Umweltbildung“ bereits vor 35 Jahren der erste Biogarten im rechtsrheinischen Stadtteil Delbrück eröffnet, der bis heute ein wichtiger Ort des gemeinschaftlichen Lernens und Entdeckens ist. In der politischen Bildung sind Menschenrechtsansätze und das Lehren über globale Zusammenhänge ebenfalls schon seit Jahrzehnten fest im Programm verankert. Unter dem Dach „BNE“ und den UN-Nachhaltigkeitszielen sind diese verschiedenen Angebote und Formate seit einigen Jahren aber in einem neuen Rahmen zusammengeführt worden. Und das BNE-Verständnis der Kölner vhs geht über das Bildungsangebot hinaus und schaut auch auf die interne organisationale Entwicklung.
Auf dem Weg zur nachhaltigen Bildungseinrichtung
Den Stein ins Rollen gebracht hat 2021 die turnusmäßige Testierungsphase im Rahmen des Qualitätsentwicklungsprozesses: Hier wurde gemeinsam entschieden, das Thema Nachhaltigkeit als ein strategisches Entwicklungsziel zu setzen und somit Raum für eine systematische interne Weiterentwicklung zu geben. Dabei stand schnell fest: Die vhs Köln braucht ein eigenes Nachhaltigkeitsverständnis, das nach innen und außen kommuniziert wird. Als Auftakt für die Erarbeitung fand im Herbst 2022 ein Workshop mit mehr als 50 Mitarbeitenden aus den verschiedenen Programmbereichen und Referaten statt. Gemeinsam wurden in interaktiven Formaten die diversen Aspekte von organisationaler Nachhaltigkeit diskutiert und erörtert. Aus der gemeinsamen Debatte haben sich drei Säulen des eigenen Nachhaltigkeitsverständnisses etabliert: Erstens, eine Nachhaltige Bildung für alle anstreben, zweitens einen nachhaltigen Umgang mit allen involvierten Personen (Mitarbeitende, Dozierende, Teilnehmende) pflegen und drittens, nachhaltige Prozesse und Strukturen als Organisation anwenden. Für die QM-Arbeitsgruppe ist daraus ein Fundus an gewünschten und möglichen Umsetzungsmaßnahmen entstanden, von denen einige bereits umgesetzt wurden. So wurden in ersten Maßnahmen Printprodukte verkleinert und mit Verweisen auf digitale umfangreichere Produkte versehen, um Ressourcen zu sparen. Außerdem setzt die VHS Köln verstärkt eine inklusivere und diversitätssensiblere Ansprache um: Grundlage dafür ist ein Handlungsleifaden der Stadt Köln zu wertschätzender Kommunikation. Zudem haben Mitarbeitende an Fortbildungen zu Themen wie geschlechtersensibler Sprache teilgenommen.
„Dieses inklusive und diversitätssensible Denken in Hinblick auf alle Gruppen, die uns besuchen – das gehört für mich zur BNE dazu.“ (Dr. Dennis Michels, Fachbereichsleiter vhs Köln)
Nachhaltige Bildung in den Sozialraum bringen
BNE im Programmangebot stärken – das ist das erste Ziel des Nachhaltigkeitsverständnisses der vhs Köln und als solches eine zentrale treibende Kraft in der täglichen Arbeit. Im Fokus steht auch die Frage: Wie können Personengruppen erreicht werden, die üblicherweise nicht zu Nachhaltigkeitsveranstaltungen der vhs kommen? Hier setzte das Innovationsprojekt „Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE) in städtischen und ländlichen Sozialräumen“, gefördert vom Kultur- und Wissenschaftsministerium NRW an. In Kooperation mit der Technischen Hochschule Köln wurden in bestimmten Quartieren Interviews mit Anwohner*innen geführt, um lokale Bedürfnisse und alltagsrelevante Themen zu verstehen. Darauf basierend wurden dann spezifische Bildungsformate konzipiert – wie z. B. die Bepflanzung und Nutzung eines Mieter*innen-Ackers in Kooperation mit der städtischen Immobiliengesellschaft GAG AG. Hier wurde gemeinsam mit den Mieter*innen des Wohnkomplexes gegärtnert und dabei Themen der Umweltbildung in die gemeinsame Arbeit integriert. Aber nicht nur die ökologische, sondern insbesondere die soziale Dimension der Nachhaltigkeit stand hierbei im Fokus: Durch die Arbeit im Mieter*innenteam konnten die Teilnehmenden ihre Selbstwirksamkeit erleben und aktiv ihr direktes Lebensumfeld gestalten lernen.
„Es ist extrem wichtig, auf die Bedarfe der Menschen vor Ort einzugehen und Angebote dementsprechend auszurichten. Nachhaltigkeitsthemen können in alle Formate mit eingebracht werden. Uns ist es wichtig, langfristig als Akteur vor Ort auf Augenhöhe mit den dort lebenden Menschen aufzutreten und anerkannt zu werden.“
Ein weiteres BNE-Highlight der vergangenen zwei Jahre ist die erfolgreiche Durchführung von „klimafit“-Kursen: Die Gruppenmitglieder gründeten Arbeitsgruppen und Stammtische und konnten für ehrenamtliches Engagement in der Region motiviert werden. Hier hat sich die Zusammenarbeit mit diversen lokalen NGOs und Kooperationspartner*innen ausgezahlt, insbesondere mit der örtlichen Verbraucherzentrale.
Die vielfältigen BNE-Bestrebungen der Kölner VHS haben sich 2023 auch auf öffentlichkeitswirksamer Ebene ausgezahlt: Sie wurde beim Nationalen Preis BNE der Deutschen UNESCO Kommission unter die „Top 20“ der besten BNE-Initiativen Deutschlands gewählt und ausgezeichnet.
Für die Zukunft wünscht sich Fachbereichsleiter Dennis Michels noch mehr zeitliche und finanzielle Ressourcen, um mehr Sozialräume zu erschließen und das BNE-Angebot noch vielfältiger zu gestalten – z. B. auch durch mögliche Kooperationen mit migrantischen Selbstorganisationen und anderen zivilgesellschaftlichen Akteuren.
Weiterführende Links:
BNE an der vhs Köln: https://vhs-koeln.de/Artikel/cmx64ca479e89b1d.html
Nachhaltigkeitsverständnis der vhs Köln: https://vhs-koeln.de/Artikel/cmx6569ba3eeb29f.html
Interview im DIE-Fachmagazin mit Dennis Michels: https://www.die-bonn.de/doks/weiterbilden/2023/weiter-bilden_gesamt.pdf
Bildnachweis:
MieterInnenacker_ copyright VHS Koeln
BNE Preisverleihung 2023-copyright VHS Koeln
vhs Leverkusen:
Austausch und Kooperation als Treiber kommunaler Nachhaltigkeit
Obwohl an der vhs Leverkusen Nachhaltigkeit insbesondere im Bereich der Politik- und Umweltbildung bereits langjährig verankert ist, hat es in den vergangenen Jahren eine Art Spurwechsel gegeben und die ganzheitliche BNE – sowohl nach innen als auch außen gelebt – ist in den Fokus gerückt. Leiter Dr. Günter Hinken und sein Team haben 2022 entschieden, im Zuge der eigenen Jubiläumsfeierlichkeiten zum 75-jährigen Bestehen das Thema Nachhaltigkeit als einen von drei Schwerpunkten in den Mittelpunkt der Außendarstellung zu stellen. Damit wollte man auch zeigen, dass die Novellierung des NRW-Weiterbildungsgesetzes, in der Bildung für Nachhaltige Entwicklung (BNE) als neue Pflichtaufgabe für Volkshochschulen definiert wird, in Leverkusen ernst genommen wird.
„Klimabotschafter*innen“ für den gesellschaftlichen Wandel
Für das Bildungsprogramm der vhs Leverkusen bedeutete das zunächst eine erfolgreiche Beteiligung am Weiterbildungsangebot „klimafit“. Die Durchführungen 2021 und 2022 waren jeweils ein voller Erfolg und die Nachfrage groß. Da das Programm aber fördertechnisch nur limitiert abrufbar ist, hat die Volkshochschule Ende 2022 angefangen, nach Möglichkeiten der eigenen Verstetigung von Klimakursen zu suchen. Der Landesverband NRW unterstützte das Vorhaben und gemeinsam mit dem ehemaligen klimafit-Kursleiter Daniel Obst wurde der Pilot für einen „Klimabotschafter*innen-Kurs“ entwickelt. Der Kurs schult eine Lehrgangsgruppe von 15-20 Teilnehmenden in fünf konsekutiven Modulen zu den Themen Umwelt, Klimakrise, soziale Auswirkungen sowie globalgesellschaftliche Herausforderungen und stellt Initiativen der Kommune und lokale Vereine vor. Das Hauptziel besteht allerdings in der Aktvierung der Teilnehmenden: Nach dem Prinzip der Alltags- und Handlungsorientierung wird die Gruppe motiviert, eigene Handlungsspielräume und Einflussmöglichkeiten auszuloten und Projektideen zu entwickeln. Ein Beispiel dieser gelungenen Projektarbeit sind Klimo und Suri – sie sind die Hauptcharaktere eines Kinderbuches, das von zwei Teilnehmerinnen des Kurses konzipiert wurde, um Kindern die Themen Umwelt-, Klima- und Tierschutz näher zu bringen. Das aus dem Kurs entstandene Projekt mündet in einer Lesung für Kinder und Erwachsene, die am 20.09.2024 in der vhs Leverkusen stattfinden wird. Das Konzept für den „Klimabotschafter*innen-Kurs“ wurde von der vhs Leverkusen entwickelt, erprobt sowie evaluiert und wird zukünftig über den Landesverband auch allen NRW-Volkshochschulen zur eigenen Umsetzung zur Verfügung stehen.
In Leverkusen hat sich durch die Verstetigung der Klimaangebote über einige Jahre hinweg außerdem ein Stammtisch ehemaliger Kursteilnehmender gebildet, der sich regelmäßig autonom trifft. Die Volkshochschule steht in engem Austausch mit Mitgliedern des Stammtisches und lotet Veranstaltungsformate gemeinsam aus. So wird auf deren Anregung z. B. im kommenden Herbstsemester ein Vortrag über das Thema „Schwammstadt“ angeboten.
Die Organisation ganzheitlich entwickeln
„Für uns war schnell klar, dass wir im Sinne eines Whole Institution Approach aber nicht nur unsere Angebotsstruktur mit Nachhaltigkeitsthemen gestalten, sondern uns auch als Organisation ganzheitlich entwickeln wollen.“ (Dr. Günter Hinken, Leiter vhs Leverkusen)
Mit diesem Blick auf den ganzheitlichen Aspekt der BNE hat sich das Team der vhs Leverkusen auch „nach innen“ auf den Weg gemacht, Nachhaltigkeit in den eigenen Strukturen umzusetzen. Die Initiative für diesen Prozess kam dabei sowohl von Seiten der Leitung als auch von interessierten Belegschaftsmitgliedern. Über Daniel Obst bestand bereits der Kontakt zur Agentur 2020, die sich auf Nachhaltigkeitsberatung und Prozessbegleitung für Organisationen spezialisiert. Gemeinsam wurde dann ein erster Workshop für den Auftakt des Organisationsentwicklungsprozesses in Leverkusen geplant. Passenderweise befand sich die Musikschule Leverkusen am selben Entwicklungspunkt, wodurch sich beide Organisationen entschlossen, Synergien zu schaffen und ihre Prozesse gemeinsam anzustoßen. Im Mai 2023 war es dann so weit: Ca. 60 Mitarbeitende aus vhs und Musikschule haben in einem eintägigen Workshopformat über die Integration der verschiedenen Nachhaltigkeitsaspekte in den Organisationsalltag beraten. Es wurden themenspezifische Arbeitsgruppen gebildet, die unter konkretem Rückbezug auf die eigenen Arbeitsrealitäten Ideen für mögliche Umsetzungen entwickelten. Die Arbeitsgruppen waren interessengesteuert – so kamen Gruppen u.a. zu den Themen nachhaltige Beschaffung, Konsum, Gesundheit, Mobilität, Mitarbeitereinbindung und kollegiales Miteinander zustande.
Die Motivation nach dem Workshop in die Umsetzung zu starten war groß – allerdings sahen sich beide Organisationen im direkten Nachgang mit weitreichenden Verwaltungsumstrukturierungen der Kommune konfrontiert, die die Ressourcen der Mitarbeitenden zunächst voll gebunden haben. Spätestens in 2025 soll der partizipative Entwicklungsprozess aber wieder aufgenommen werden.
Die Zukunft der vhs Leverkusen soll vor allem durch die Verankerung der BNE und Nachhaltigkeitsthemen in der gesamten Organisation geprägt sein. Für die Ausweitung von BNE als Querschnittsthema im Bildungsprogramm wird dafür bald eine neue Programmgruppe unter dem Titel „cross over“ geschaffen – dabei sollen gute Praxisansätze aus anderen Kommunen und Organisationen in die eigene Arbeit integriert und Nachhaltigkeitsprojekte auch in die einzelnen Stadtteile getragen werden. Auch mit dieser Maßnahme wird an der vhs Leverkusen Nachhaltigkeit gestärkt und sinnvolle Transformation gestaltet.
Das ausführliche Interview mit Dr. Günter Hinken und Daniel Obst finden Sie hier.
vhs Neuss:
Ein eigener Fachbereich für mehr Sichtbarkeit
In Neuss sind Nachhaltigkeitsthemen bereits seit einem Jahrzehnt an der Schnittstelle von Gesundheit und Kulturellem Gestalten gewachsen und führten durch intensive Kooperationen der Fachbereichsleitung und lokalen Initiativen (z. B. Transition Town) zu erfolgreichen Programmangeboten wie RepairCafés und nachhaltigen „Schnibbelabenden“. 2018 gewann der Fokus auf die diversen Facetten von Nachhaltigkeitsthemen unter der neuen Leiterin Dr. Marie Batzel zunehmend an Bedeutung – auch unter der Prämisse der Agenda 2030 der Vereinten Nationen und der zentralen Rolle, die BNE für die Erreichung dieser Agenda auch auf lokaler Ebene einnimmt.
So beschloss man in Neuss, einen eigenen Fachbereich „Nachhaltig leben“ zu etablieren, der zum Frühjahrssemester 2019 auch erstmalig für Besucher*innen der Vhs im Programm sichtbar wurde – mit eigenem Icon und Fachbereichsleiterin. BNE wird hier als Querschnittsthema verstanden und aus allen Fachbereichen bespielt. Eine besonders herausstechende Idee: Das Angebot unterteilt in Exkursionen (z. B. ein Besuch des regionalen Gaskraftwerks, einer Falknerei oder ein Survival Training im Wald), Vorträge zu Klima- und Umweltthemen und partizipative Formate unter den Mottos „gemeinsam denken“ und „gemeinsam gestalten“ (z. B. Upcycling-Werkstätte oder auch das Herstellen nachhaltiger Künstlerfarben). An diesen Kategorien wird deutlich, was der stellv. Direktorin und ehemaligen BNE-Fachbereichsleiterin Ursel Hebben besonders wichtig ist, nämlich „ein zielgruppengerechtes Programm mit der richtigen Ansprache und Kommunikation anbieten“ – daher werden alle Angebote auch unter dem Slogan „Neuss nachhaltig aktiv“ beworben, um so Nachhaltigkeit in den direkten Bezug zu den Bürger*innen der Stadt zu bringen.
Diese direkte Ansprache und Gestaltung des Angebots zahlt sich aus: Der Fachbereich „Nachhaltig Leben“ zählt mittlerweile die meisten Klicks auf der Website der vhs und die Angebote werden gut angenommen und besucht.
„Diese erhöhte Sichtbarkeit durch den eigenen Fachbereich und die Zuständigkeit bei einer verantwortlichen Person hat sich für uns als großer Erfolg erwiesen.“ (Ursel Hebben, stellv. Direktorin Vhs Neuss)
Schwarmintelligenz für einen Whole Institution Approach
Aber nicht nur auf der programmatischen, sondern auch auf organisationaler Ebene hat der Fachbereich Nachhaltig Leben den Anstoß für eine Weiterentwicklung der vhs im Sinne der BNE gegeben. 2019 wurde ein solcher Prozess durch einen Impuls ausgelöst, den die damalige Fachbereichsleiterin Hebben auf einer Fachtagung erhalten hat – die Implementierung eines eigenen Whole Institution Approach, also des Ansatzes nachhaltiger Organisationsentwicklung. Diesem Fachimpuls folgend hat auch an der vhs Neuss ein interner Workshop mit den Mitarbeitenden stattgefunden, um zu etablieren, in welchen Bereichen der Organisation Nachhaltigkeit stärker gelebt werden kann. In diesem Zuge sind einige erste Änderungen erfolgt: So wurde das Veranstaltungscatering auf vegetarische Kost und der Programmdruck auf ökologische Zertifizierung umgestellt. Im Mai 2024 wurden für die Beleuchtung energiesparende Leuchtmittel eingesetzt. Der WIA-Prozess wird an der vhs konstant weiterverfolgt und der neue BNE-Fachbereichsleiter hat auch für diese internen Weiterentwicklungen „den Hut auf“. Allerdings steht es allen Mitarbeitenden jederzeit offen, Ideen für weitere Entwicklungen oder interne Fortbildungen einzugeben und so zur Zukunftsfähigkeit der vhs beizutragen.
Vernetzung als Herzensthema der BNE-Arbeit
Ein Aspekt der vhs als kommunale BNE-Akteurin ist in Neuss allerdings besonders präsent: die Rolle als Netzwerkpartnerin sowohl für die Bürger*innen als auch innerhalb der Stadtverwaltung. Die vhs Neuss hat sich über die Jahre so erfolgreich als kompetente Interessensvertreterin für Nachhaltigkeitsthemen etabliert, dass sie nun „auf allen Hochzeiten mittanzen darf“. So entwickelt die Stadt Neuss derzeit eine Nachhaltigkeitsstrategie und die vhs sitzt als Konsultationspartnerin mit am Tisch. Und seit 2019 ist sie Teil eines Gremiums des sogenannten „IKK“ – dem Integrierten Klimaschutzkonzept, welches das ambitionierte Ziel verfolgt, bis 2035 möglichst viele Voraussetzungen für eine Klimaneutralität der Stadt zu schaffen. Hier vertritt die vhs gemeinsam mit der Stadtbibliothek die Interessen der Klimabildung.
Auch an Aktivitäten der städtischen Zivilgesellschaft beteiligt sich die vhs, wie beispielsweise bei der Woche der Nachhaltigkeit und dem jährlich stattfindenden Umweltmarkt.
Die Repräsentanz in diesen Gremien wird in Neuss zu Recht als Anerkennung für die intensiven Bemühungen der vhs angesehen und sie zeigt, dass sie als Schnittstelle zwischen kommunaler Fachebene und Stadtgesellschaft auch in Fragen der Nachhaltigkeit wahrgenommen und akzeptiert ist.
Links:
Fachbereich „Nachhaltig leben“ an der vhs Neuss mit Rückbezug zu den SGDs: https://www.vhs-neuss.de/was-ist-eine-vhs
Bildnachweis:
Kochkurs_copyright Melanie Stegemann
Surivival Training_copyright Laura Woock
vhs Siebengebirge:
Ohne Kooperationspartner geht es nicht
Im Siebengebirge im Süden von NRW hat die BNE-Arbeit vor wenigen Jahren volle Fahrt aufgenommen. 2019 hat ein Multiplikator*innen-Workshop des Globalen Lernens den Funken bei Johanna Samaras, Fachbereichsleitung der VHS Siebengebirge, entfacht. Für sie stand schnell fest: Hier bedarf es einer guten Vernetzung und Kooperation, um Wissen zu generieren und durch den Austausch miteinander zu lernen. Die gerade gelaunchte vhs.cloud stellte dafür die ideale Basis dar. Auf Samaras Anregung hin wurde die Netzwerkgruppe BNE gegründet und unter ihrer Moderation (zusammen mit Antje Laacks aus Frechen) bald ein Ort für Diskussion und Austausch für Volkshochschulen bundesweit.
Aber nicht nur innerhalb der vhs-Welt wurde an den Standorten Bad Honnef und Königswinter Kooperation zu einem entscheidenden Faktor in der BNE-Arbeit der Volkshochschule. Durch Vernetzung, bi- und multilaterale Kontakte kamen Kooperationen mit dem Naturpark Siebengebirge, dem BUND-Ableger, den Familienzentren und der Energieagentur der Region zustande. Auch die enge Zusammenarbeit mit den lokalen Klimamanager*innen bereichert das vhs-Programm – z. B. durch einen Praxisworkshop zum Thema Balkonkraftwerke.
„BNE ist für uns als vhs so wichtig, weil wir andere Menschen dabei unterstützen können, unsere Gesellschaft, in der wir leben nachhaltig zu transformieren.“
Die lokale, aber auch interkommunale Vernetzung ist besonders seit 2022 durch die „klimafit“-Programme vorangetrieben worden. Durch dieses, vom WWF konzipierte Bildungsangebot wurden die Teilnehmenden im Sinne des transformativen Lernens ermutigt, selbst zum lokalen Klimaschutz beizutragen und dafür Handlungsspielräume in ihrem lokalen Umfeld zu erkennen. Mit Erfolg: Einige von diesen Kursabsolvent*innen haben sowohl in Bad Honnef wie auch in Königswinter ehrenamtliche Arbeitsgruppen für den Klimaschutz gebildet, die im engen Austausch mit der Stadtverwaltung stehen und Aktivitäten koordinieren.
Geschlechtergerechtigkeit ist auch Teil der BNE
Seit 2021 wird parallel ein weiteres wichtiges Thema der nachhaltigen Entwicklung und gesellschaftlichen Transformation an der vhs Siebengebirge großgeschrieben: Geschlechtergleichstellung. Dafür sollte ein geschützter Raum geboten werden, wo Frauen über ihre individuelle, aber auch gesamtgesellschaftliche Position und strukturelle Ungleichheiten reflektieren und diskutieren können. Somit war die erste „feministische Diskussionswerkstatt“ geboren. Das Format, welches an den Bedarfen der Teilnehmerinnen orientiert überwiegend online stattfindet, stieß sofort auf großes Interesse und läuft mittlerweile im siebten Semester. Thematisch passend werden neben Themenvorschlägen durch die Teilnehmerinnen auch aktuelle Medien (z. B. Ausstellungen, Filme) und (Fach-)Literatur als Grundlage herangezogen. Das Besondere am Format: Es ist immer für neue Teilnehmerinnen offen und hat keine „klassische“ Dozentin. Die Moderatorin begleitet die Gruppe, greift Themenvorschläge auf und versteht sich als Prozessbegleiterin anstatt als Lehrkraft – ganz im Sinne der didaktischen Prinzipien der BNE.
Bei der Diskussionswerkstatt ist es nicht geblieben: In Kooperation mit den Gleichstellungsbeauftragten beider Kommunen werden jährlich gemeinsame Veranstaltungen angeboten, wie z. B. ein Film- und Diskussionsabend am Internationalen Tag gegen Gewalt an Frauen im November 2023. Aus den anfänglich punktuellen Einzelveranstaltung hat sich nun eine feste Veranstaltungsreihe verschiedenster lokaler Akteur*innen entwickelt.
In Bad Honnef war der bisherige Höhepunkt 2024 ein Thementag zu „Frauen und Finanzen“ in Kooperation mit dem Frauenforum in Bad Honnef, der zur Gründung eines „Frauenstammtischs Finanzen“ geführt hat und ab dem Wintersemester 2024 allen Frauen der Region offensteht.
Für die Zukunft wünscht sich Samaras, das Thema Geschlechtergerechtigkeit noch weiter zu vertiefen und auch in Richtung Geschlechtsidentitäten und LGBTQIA+ zu öffnen. Weitere Herzensthemen von Samaras sind Repräsentation und Rollenvorbilder, hier sind z. B. Kooperationen mit lokalen Büchereien angedacht. Für den Moment ist man an der vhs Siebengebirge aber zu Recht sehr zufrieden, in einem kurzen Zeitrahmen ein wichtiges Thema fest in der eigenen BNE-Arbeit verankert zu haben.
„Unsere große Stärke ist unsere Dauerhaftigkeit – wir haben über Jahre nachhaltige Strukturen aufgebaut und können nun die Früchte dieser Arbeit ernten.“ (Johanna Samaras, VHS Siebengebirge)
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Bildnachweis:
Büchertisch BNE Workshop_copyright Johanna Samaras
Frauen und Finanzen_Copyright Iris Schwarz