Landtag Intern: „Wahre Werkstätten der Demokratie“
Der Landtag von NRW würdigt die Festveranstaltung anlässlich des 75. Jubiläums des Landesverbandes der Volkshochschulen mit einem eigenen Beitrag in der Novemberausgabe des eigenen Magazins „Landtag Intern“.
Unter dem Titel „Wahre Werkstätten der Demokratie“ dokumentiert der Beitrag die Festveranstaltung, informiert aber ebenso über den zentralen Auftrag der Volkshochschulen in NRW und zeigt zentrale Leistungsdaten der Volkshochschulen in NRW auf.
Unter diesem Link (S. 20; Ausgabe 11/2022) findet sich der Beitrag als PDF zum Download.
„Wahre Werkstätten der Demokratie“
26. Oktober 2022 – Volkshochschulen als Orte der Erwachsenenbildung in Nordrhein-Westfalen haben einen historischen Auftrag, sind gesetzlich verankert und offen für alle. Welche Bedeutung ihnen in einer Zeit gleichzeitiger Krisen zukommt, war Thema während einer Veranstaltung anlässlich des Jubiläums „75 Jahre Landesverband der Volkshochschulen NRW“ im Landtag.
Der Vizepräsident des Landtags, Rainer Schmeltzer, konnte zahlreiche Gäste zu der Festveranstaltung begrüßen. Er betonte: „Bildung und Weiterbildung sind und bleiben der Schlüssel für die berufliche wie persönliche Entwicklung und ebenso für gesellschaftliche Teilhabe.“ Auch um die Zukunft zu gestalten, brauche es, gesellschaftlich gesehen, breit gestreutes Wissen und Bildung.
In einem Impulsvortrag erklärte der Bielefelder Konfliktforscher Prof. Dr. Andreas Zick: „Krisen sind Zeiten, in denen sich Stabilität und Normalität aufzulösen scheinen.“ Die Ungewissheit, die damit einhergehe, münde häufig in ein Misstrauen, auch der Demokratie gegenüber. Unsicherheit bringe schnell mit sich, andere Meinungen nicht zulassen zu können. Volkshochschulen böten sogenannte zivile Räume: Orte der Anerkennung, der Beachtung, des Gesehen- und Gehörtwerdens. „Bildung bedeutet: Ich stelle eine Beziehung her“, betonte Zick. In Zeiten multipler Krisen und massiver Verunsicherung brauche es mehr als theoretische Bildungsangebote. Es brauche Räume für Austausch und Vielfalt, es brauche Schutzräume für Missachtete, Räume für gemeinsames Schaffen.
Zivilcourage und die Schulung gegenseitigen Respekts, so Zick, könne man in jedem Kurs lernen. Menschen mit antidemokratischen Tendenzen erreiche man nicht über Kurse wie „So lernen Sie Demokratie“, sondern in jedem anderen, stimmte Dr. Marie Batzel, Direktorin der VHS Neuss, während einer Podiumsdiskussion zu. Da entstehe beispielsweise in einem Sprach- oder Kreativkurs ein Gespräch darüber, wie sich Teilnehmerinnen als Hausfrauen in der Gesellschaft wahrgenommen fühlten.
„Krisenresistente Bildung“
Konfliktforscher Zick sprach von krisenresistenter Bildung und bestätigte die Beschreibung von Volkshochschulen durch ihren NRW-Verbandsvorsitzenden Klaus Hebborn als „wahre Werkstätten der Demokratie“. Vizepräsident Rainer Schmeltzer beschrieb sie zudem als „Resonanzräume für den demokratischen Dialog, als frei zugängliche Foren zum Austausch von Ideen, nicht zuletzt auch als Förderer der Integration und des gesellschaftlichen Zusammenhalts“.
Der Landesverband, so Zick, habe nun die Chance, als Denkfabrik tätig zu werden, um diejenigen zu erreichen, die Volkshochschulen nicht von sich aus aufsuchten. Die Strategien könnten sich aber nicht in der Digitalisierung erschöpfen: Auch die Volkshochschule als Gebäude sei wichtig. „Das ist wie ein Park. Den kann man nicht digitalisieren, da muss man reingehen.“
Gesetzliche Grundlage der Volkshochschulen in Nordrhein-Westfalen ist das NRW-Weiterbildungsgesetz. Dort heißt es in Paragraf 1:
„Jede und jeder hat das Recht, die zur freien Entfaltung der Persönlichkeit und zur freien Wahl des Berufs erforderlichen Kenntnisse und Qualifikationen zu erwerben und zu vertiefen.“
In Nordrhein-Westfalen verpflichtet dieses Gesetz die Kommunen, Volkshochschulen einzurichten, um niedrigschwellige Angebote des lebenslangen Lernens vorzuhalten. In anderen Bundesländern, etwa in Baden-Württemberg, ist die Einrichtung von Volkshochschulen freiwillig.
Zur Geschichte
Während der Weimarer Republik erhielten Volkshochschulen Verfassungsrang. Ihre Arbeit in der Volksbildung fiel jedoch der nationalsozialistischen Diktatur zum Opfer. Nach Kriegsende nutzte die britische Militärregierung sie, um demokratische Bildung zu verankern. Daneben gründeten sich Volkshochschulen mit weiterhin eigenem Programm. In diese mündeten später die von den Briten betriebenen Bildungsinstitutionen zur Re-Education.
Daten und Fakten
Der Landesverband der Volkshochschulen NRW wurde 1947 gegründet und vertritt die Interessen von 131 Volkshochschulen in kommunaler Trägerschaft. Sie bieten Weiterbildungsmöglichkeiten in zahlreichen Fachrichtungen an, etwa rund um Politik und Gesellschaft, Arbeit und Beruf, Sprachen, Kultur und Gestaltung, aber auch Grundbildung, Schulabschlüsse und Studienreisen.
Volkshochschulen müssen als gemeinnützige Anbieter keine Gewinne erzielen, erhalten öffentliche Zuschüsse und können somit vergleichsweise kostengünstig Bil¬dungsangebote machen.
Vor der Pandemie haben in NRW in rund 2,9 Mio. Unterrichtsstunden 1,4 Mio. Menschen für sich, für den Job oder fürs Leben gelernt. Sie konnten aus rund 85.000 Angeboten auswählen. Obwohl im Coronajahr 2020 nur noch knapp halb so viele Menschen teilnahmen, hielten die Volkshochschulen rund 61.000 Kurse oder Lehrgänge vor.
Mit freundlicher Genehmigung des Landtag NRW
Text aus Landtag Intern/sow (S. 20; Ausgabe 11/2022)
Unter diesem Link findet sich der Beitrag als PDF zum Download.